Entstehung der Appenzeller Streichmusik: Musikalische Vorboten
Das Singen und Musizieren ist im Appenzellerland eine jahrhundertealte Tradition. Vielleicht gilt darum das Appenzellervolk seit jeher als musikalisch. Die ersten Lieder stammen aus dem 13. Jahrhundert, von Heinrich von Sax, Burgherr auf Clanx (Burgstock: siehe Bild), um 1270.
Aus dem 16. Jahrhundert stammt ein Appenzeller Kuereien Lobelobe.
Bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde auch in unserer Gegend vorwiegend mit Trommeln, Pfeifen, Dudelsack und Schalmeien musiziert.
Gemäss Eintragungen im Kirchenbuch Appenzell wurden im Jahre 1695 für die Kirchenmusik zwei Geigen angeschafft. So wird angenommen, dass die Geigenspieler auch zum Tanze aufgespielt haben.
Aus dem Jahre 1730 zeugt ein Liederbüchlein der Maria Josepha Barbara Brogerin, von der musischen Tätigkeit des Appenzellervolkes.
Entstehung der Streichmusik
Gemäss Gemeindeschriften (z.B. aus dem Jahre 1736) schritten die Behörden immer wieder mit Bussen gegen zu häufige Tanzgelegenheiten ein. An Alpstobeten wurde auf offenem Felde, teils nach der Geige und dem Hackbrett getanzt. Das Bild von Emil Rittmeyer (1865) zeigt die Alpstobete auf der Alp Soll, mit Geige und Hackbrett.
In dieser Zweierbesetzung wurde bis Mitte des 18. Jahrhunderts aufgespielt, bis sich dann das Basset oder der Bass dazu gesellte.
Erste bekannte Formation aus dem Appenzellerland
Die erste Formation, welche über die Grenzen des Appenzellerlandes hinaus bekannt war, nannte sich:
Quartett Appenzell (1860-1890/94)
Das Bild zeigt das Streichquartett Appenzell im Jahre 1874:
Basset: Anton Maria Klarer, Schneteremarei, Enggenhütten
Geige: Ignaz Dörig, Ackergnazi, Hirschberg
Geige: Josef Anton Inauen, Badischtesebedoni, Weissbadstrasse
Hackbrett: Jakob Anton Knill, Fleck, Ried
Die Blütezeit der Streichmusik (1890-1914)
Gegen Ende des 19. Jahrhundert spielten die Formationen meist in der «original Appenzeller Streichmusikbesetzung: 1.Geige, 2. Geige, Hackbrett, Cello und Kontrabass». Angefangen hat dies 1884 mit der «Urnäscher Streichmusik» (später «Streichmusik Alder»), unterdessen spielen die «Aldere» bereits in der 5. Generation.
1892 entstand das «Streich-Quintett Appenzell». Seine endgültige Zusammensetzung erhielt die Gruppe noch vor der Jahrhundertwende und blieb bis zum Ersten Weltkrieg unverändert.
Um 1900 gesellte sich die Streichmusik Schmid aus Walzenhausen dazu.
1913 gründete Hans Rechsteiner die Streichmusik Edelweiss Trogen
(ab 1986: Edelweiss Herisau).
Dieser Musikstil und Kompositionen aus dieser Epoche haben heute noch Gültigkeit und werden von vielen Musikanten und Formationen immer noch gespielt und gepflegt.
Der Einfluss von damals moderner Musik wie „Wienermusik & Tafelmusik“ hat bis zur heutigen Zeit seine Spuren hinterlassen. So trägt eine Streichmusik als Einlage auch mal ein wienerisches Stück vor. Heute spielt die originale Streichmusik eher selten zum Tanz als vielmehr in Konzerten auf.
Vertreter dieser Musik waren oder sind:
Streichmusik Alder, Streichmusik Schmid, Streichmusik Edelweiss Herisau, Streichmusik Hornsepp, Streichmusik Weissbad, Streichmusik Alperösli, Geschwister Küng, Frauestriichmusig, Streichmusik Bänziger, Toggenburger Original Striichmusig, Brandhölzer Striichmusig, Streichmusik Kalöi, usw…
"Modernisierung" der Appenzellermusik, vorzugsweise mit dem Akkordeon
In den Fünfziger-Sechziger Jahren kam das Akkordeon auch bei uns auf.Appenzeller Echo Switzerland Mit der Zeit ersetzte das Akkordeon die zweite Violine und das Cello. Auch als Leitinstrument wurde nun das Akkordeon immer häufige eingesetzt. Teilweise ersetzte auch das Klavier das Hackbrett. Hans Dörig (Urseles Hans) trug diese Appenzellermusik mit dem Akkordeon weit über unsere Landesgrenzen hinaus. Dier wohl bekanntesten Titel von ihm sind zum Beispiel: „im Pöschtli z’Appezöll“ oder „Rond om de Säntis“.
Heute wird dieser Musikstil meist wieder mit Hackbrett oder Klavier (oder beidem) praktiziert. (Trio oder Quartett)
Musikgruppen dieser Sparte sind:
Appenzeller Echo, Säntisgruess, Warth Buebe, Alphöttli, Quöllfrisch, Alpengruess Appenzell, Echo vom Schwendetal, Hersche Buebe, Setteretalbuebe, Alpsteebuebe, Waldstättergruess, Steerölleli, Dewiisli, usw…
Durch den Einfluss der Unterhaltungs- und anderer Volksmusik (Akkordeonduett) haben sich auch bei uns Formationen auf diesen Trend spezialisiert. Diese Gruppen spielen meist mit zwei Akkordeons, Klavier und Bass.
Musikgruppen dieser Sparte sind:
Promillos, Waldhöckler, Chaschte-Höckler, Kapelle Enzian, usw…
Weitere Modernisierung der Appenzellermusik
Andere Formationen spezialisierten sich darauf mit Violine, Akkordeon, Hackbrett (ev. Klavier) und Bass konzertante Appenzeller, Tafel- und Salonmusik zu spielen.
In dieser Besetzung wird durch Einflüsse der Salon- und klassischen Musik meist ein breiteres Repertoire gespielt: Wienerwalzer, Zigeuner-Musik, Irische Musik, usw…
Musikgruppen dieser Sparte sind:
Alderbuebe, Appenzeller Echo, Altfrensch, Kapelle Kölbener, de Baazli mit sine Kollege, usw…
Quelle: Johann Manser (Buch: Heemetklang us Innerrhode), Joe Manser, Zentrum für Appenzellische Volksmusik